Hof nach der norddeutschen Höfeordnung
In Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gilt für landwirtschaftliche Betriebe die sogenannte „Höfeordnung“. Die Höfeordnung enthält erbrechtliche Sondervorschriften für die Landwirtschaft, die vom normalen Erbrecht abweichen. So ist in der Höfeordnung beim Tod des Hofinhabers eine Sondererbfolge für den „Hoferben“ direkt in den Hof vorgesehen. Die Geschwister erhalten eine Abfindung.
Damit diese Sondererbfolge für den landwirtschaftlichen Betrieb greift, ist aber im Zeitpunkt des Erbfalls die Eintragung des sogenannten „Hofvermerks“ im Grundbuch erforderlich.
Hofvermerk
Es ist nun aber auch möglich, dass beim Tod des Eigentümers trotz Eintragung des Hofvermerk im Grundbuch gar kein Hof im Sinne der Höfeordnung mehr vorliegt, zum Beispiel weil der Eigentümer den landwirtschaftlichen Betrieb zu seinen Lebzeiten bereits eingestellt hatte und bei realistischer Betrachtung der Hof in Zukunft nicht mehr betrieben werden wird. Liegt kein Hof nach der Höfeordnung mehr vor, gilt auch nicht mehr das Sondererbrecht der Höfeordnung, sondern das allgemeine Erbrecht. Damit erben alle Geschwister den ehemaligen Hof zu gleichen Teilen, wenn gesetzliche Erbfolge gilt.
Grundlegende Entscheidung
Dies hat der Bundesgerichtshof in einem wichtigen Beschluss klargestellt (Beschluss vom 29.11.2013 – Blw 4/12) . Entscheidend ist , ob sich der Inhaber vor seinem Tod so verhalten hat, als ob von seinem Hof aus nie wieder Landwirtschaft betrieben werden wird, z.B. durch Auflösung des Betriebs. Ist klar, dass der Hof in Zukunft nicht mehr betrieben werden wird, entfallen die Hofeigenschaft und die Sondererbfolge. Ist unklar, ob der Hof in Zukunft wieder betrieben werden könnte, kommt es darauf an, was der verstorbene Eigentümer wollte bzw. dachte. Wollte er den Hof endgültig aufgeben, ist die Hofeigenschaft entfallen. Lässt sich hingegen kein endgültiger Hofaufgabewille des Erblasser feststellen, bleibt es dabei, dass der Hofvermerk im Grundbuch für die Hofeigenschaft spricht (sofern bei realistischer Betrachtung die Möglichkeit besteht, dass der Betrieb in Zukunft wieder aufgenommen wird).
Wann ist ein Hof noch ein Hof?
Hierzu sagt der BGH in seinem Beschluss:
Ob beim Erbfall trotz des im Grundbuch eingetragenen Hofvermerks die Hofeigenschaft entfallen war, beurteilt sich danach, ob der Erblasser den landwirtschaftlichen Betrieb endgültig eingestellt hatte.
BGH, Beschl. v. 29.11.2013 – BLw 4/12
Der Fall
Die E hatte 1964 den Hof geerbt und zunächst unter Mithilfe eines Verwalters weiter bewirtschaftet. In den 1980er Jahren stellte die E den landwirtschaftlichen Betrieb ein. Die zu dem Hof gehörenden Flächen und Gebäude wurden verpachtet oder zu landwirtschaftsfremden Zwecken genutzt. Der Grundbesitz blieb aber im Grundbuch als Hof i. S. der HöfeO eingetragen. Im Jahr 2005 bestimmte die E in ihrem Testament, dass B ihren „Hof im Sinne der HöfeO“ erhalten solle. 2010 verstarb die E.
Auf Antrag des B stellte das Landwirtschaftsgericht in erster Instanz fest, dass beim Tod der E ein Hof i. S. der Höfeordnung vorgelegen habe und B Hoferbe geworden sei. Seine Geschwister A und C hatten beantragt festzustellen, dass es sich beim Streitobjekt nicht um einen Hof i. S. der HöfeO gehandelt habe. Das Oberlandesgericht gab in zweiter Instanz A und C recht und verneinte die Hofeigenschaft. B ging dann bis zum Bundesgerichtshof, der als letzte Instanz den Fall entschied.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts
Das Oberlandesgericht war der Meinung, die durch den im Grundbuch eingetragenen Hofvermerk begründete Vermutung der Hofeigenschaft sei durch die tatsächlichen Umstände widerlegt. Ein aktiver landwirtschaftlicher Betrieb war sei seit drei Jahrzehnten nicht mehr vorhanden. Damit liege nicht nur eine vorübergehende Einstellung vor. Ein „Wiederanspannen“ des landwirtschaftlichen Betriebs unter vertretbaren wirtschaftlichen Bedingungen scheide aus. Die Höfeordnung könne nur zur Anwendung kommen, wenn entweder eine leistungsfähige landwirtschaftliche Betriebseinheit vorhanden sei oder jedenfalls im Zeitpunkt des Erbfalls hinreichend gesichert erscheine, dass diese vom Hoferben ohne weiteres wieder hergestellt werden könne und auch tatsächlich hergestellt werde. Es reiche nicht die abstrakte theoretische Möglichkeit, dass in irgendeiner Weise auf dem Grundbesitz noch Landwirtschaft betrieben werden könnte. Eine Eigenbewirtschaftung sei im Vergleich zur bisherigen Fremdverpachtung unwirtschaftlich. B verfüge über keine praktische landwirtschaftliche Erfahrung und müsse deshalb auf einen Betriebsleiter zurückgreifen. Eine etwaige landwirtschaftliche Familientradition bestehe zumindest seit mehr als drei Jahrzehnten nicht mehr. Soweit B auf die Möglichkeit der Betriebsübernahme durch seinen derzeit 14-jährigen Sohn verweise, begegne das ebenfalls Bedenken. Zum einen komme es für die Frage des Wiederanspannens auf die Person des B an; zum anderen handele es sich lediglich um eine theoretische Möglichkeit.
Die Entscheidung des Bundesgerichtsfhofs
Der Bundesgerichtshof gab dem Oberlandesgericht (OLG) im Ergebnis recht. Das OLG gehe zutreffend davon aus, dass die Hofeigenschaft auch bei fortbestehendem Hofvermerk entfallen kann, wenn keine landwirtschaftliche Besitzung mehr vorhanden sei.
Es komme bei der Beurteilung, ob die landwirtschaftliche Betriebseinheit dauerhaft aufgelöst war, nicht entscheidend darauf an, ob eine Wiederherstellung des landwirtschaftlichen Betriebs durch den potenziellen Hoferben hinreichend sicher zu erwarten sei.
Die Hofeigenschaft sei von der Person des möglichen Hoferben unabhängig; entscheidend sei, ob der Erblasser den Betrieb im Zeitpunkt des Erbfalls endgültig eingestellt hatte.
Dauerhaft aufgelöster Betrieb ist kein Hof mehr
Nur ein nach dem Willen des Erblassers lediglich vorübergehend ruhender („entspannter“) Betrieb kann wiederaufgenommen („wiederangespannt“) werden, nicht hingegen ein bereits dauerhaft aufgelöster. Keinesfalls kann eine landwirtschaftliche Besitzung, die ihre Eigenschaft als Hof im Zeitpunkt des Erbfalls bereits verloren hat, als Sondervermögen nach höferechtlichen Grundsätzen vererbt werden. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn im Zeitpunkt des Erbfalls (wieder) ein potenzieller Hoferbe zur Verfügung steht, der zur Wiederaufnahme des Hofs bereit und in der Lage ist.
BGH
Vorübergehend eingestellter Betrieb bleibt Hof
Hat der Erblasser allerdings den Betrieb lediglich vorübergehend eingestellt, wird der Hof auch dann nach der HöfeO vererbt, wenn der Hoferbe den Betrieb nicht wieder aufnehmen will. In diesem Fall folgt aus der Verfehlung des eigentlichen Zwecks der Sondererbfolge, nämlich der Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe als Einheit, ggf. ein erhöhter Ausgleichsanspruch der weichenden Miterben (§ 13 HöfeO).
Vorhandener möglicher Hoferbe
Ob ein möglicher Hoferbe im Zeitpunkt des Erbfalls tatsächlich willens und in der Lage ist, den Betrieb wieder anzuspannen, ist eine Frage der – hier nicht maßgeblichen – Wirtschaftsfähigkeit i. S. des § 6 Abs. 6 HöfeO .
Für die Beurteilung der Hofeigenschaft im Zeitpunkt des Erbfalls ist die Frage nicht maßgeblich. Sie ist objektiv zu beurteilen und kann nicht unterschiedlich nach der Person des möglichen Hoferben bejaht oder verneint werden. Zwar kann sich der Umstand, dass ein zur Wiederanspannung des Betriebs bereiter Hoferbe zur Verfügung steht, mittelbar auch auf die Hofeigenschaft auswirken – nämlich dann, wenn der Erblasser noch zu Lebzeiten objektiv nachvollziehbar zu erkennen gegeben hat, dass er ein Wiederanspannen des Betriebs gerade mit Blick auf diesen Hoferben erwartet. Dann kann berücksichtigt werden, ob das Vorhandensein eines geeigneten Hoferben diese Vorstellungen des Erblassers objektiv stützte. Maßgeblich bleibt auch dann die Sicht des Erblassers, nicht aber die Person des potenziellen Hoferben.
Maßgeblich ist der Wille des Erblassers
Ein maßgeblicher Gesichtspunkt ist der Wille des Erblassers, dass von seiner Hofstelle aus nie wieder Landwirtschaft betrieben werden kann oder soll. Ein solcher Wille wird indiziert, zumal die auf eine Auflösung des Hofes hinweisenden Umstände zumeist ohnehin auf den Willen des Hofeigentümers zurückgehen. Allerdings kann der bloße Wille des Erblassers, seinen Grundbesitz trotz Betriebseinstellung weiter als Hof zu behandeln und nach höferechtlichen Grundsätzen zu vererben, dann nicht entscheidend sein, wenn die Voraussetzungen der Hofeigenschaft objektiv entfallen sind, wenn also im Zeitpunkt des Erbfalls bei realistischer Betrachtungsweise keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Betrieb in Zukunft wieder aufgenommen werden könnte.
Entscheidend ist also die Frage, ob der Landwirtschaftsbetrieb im Zeitpunkt des Erbfalls dauerhaft aufgelöst war. War das der Fall, kann der frühere Hof nicht mehr nach den Grundsätzen der Höfeordnung vererbt werden, auch wenn dies im Testament angeordnet ist und der Hofvermerkt noch im Grundbuch steht.
RUBY. Die Kanzlei für Erbrecht.
Wir machen nur Erbrecht. Wir helfen Ihnen. Überall in Deutschland.
Tel.: 07721 / 99 30 505