GGGG Art. 3

Ist das Sondererbrecht der Landwirtschaft noch zeitgemäß?

Ist das Sondererbrecht der Landwirtschaft noch zeitgemäß? Erklärt von Fachanwalt für Erbrecht Gerhard Ruby. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.

Prof. Dr. Anne Röthel von der Bucerius Law School in Hamburg erstattete beim 68. Deutschen Juristentag in Berlin einen vielbeachteten Vortrag zum Thema

Ist unser Erbrecht noch zeitgemäß?

In ihrem Gutachten nimmt sie auch zur Frage der Sondererbrechts der Landwirtschaft Stellung. Hier sollen ihre wichtigsten Thesen dargestellt werden.

Die Sondererbfolge in der Landwirtschaft widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz

Unser Erbrecht folgt dem Grundsatz der Universalsukzession, d.h. alles, was ein Erblasser hinterlässt geht auf die Erben über. Dieser Grundsatz wird aber bei Personengesellschaften und bei den landwirtschaftlichen Anerbenrechten durchbrochen. Es sei ein Reformanliegen, die landwirtschaftliche Sondererbfolge, wonach der Hof im Wege der Spezialsukzession auf den Hoferben und nicht auf die Erbengemeinschaft übergeht, in die Universalsukzession zu integrieren. Verfassungsrechtlich fordere dies die Gleichgerechtigkeit der erbrechtlichen Institutionen. Der Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG verpflichte den Gesetzgeber wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. So sei aus diesem Grunde die Schlechterstellung nichtehelicher Kinder und weiblicher Hofnachfolger beseitigt worden. Die erbrechtliche Sonderstellung von landwirtschaftlichen Vermögen gegenüber dem sonstigen Nachlass sei nicht mehr zu rechtfertigen. Zwischen landwirtschaftlicher und gewerblicher Betätigung bestünden keine solchen Unterschiede mehr, die die erhebliche Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Die Reintegration der landwirtschaftlichen Sondererbfolge in die Universalsukzession sei verfassungsrechtlich geboten.

Der BGB-Gesetzgeber

von 1900 habe die Gestaltung der Nachfolge in landwirtschaftliche Betriebe offengelassen. Er habe nur die Fortgeltung der praktisch kaum noch bedeutsamen Landesanerbenrechte entschieden (Art. 64 EGBGB) sowie die §§ 2049, 2312 BGB geregelt. Inzwischen sei hieraus ein unübersichtliches Sonderprivatrecht entstanden. Eine Reform sei erstrebenswert, werde aber durch ideologische Verhärtungen verhindert. Die grundsätzliche Legitimierbarkeit des geltenden landwirtschaftlichen Sondererbrechts werde aber in Frage gestellt, z.B. von Muscheler, J. Mayer, Köhne, Grimm, Fassbender, Haselhoff, Ruby, Leipold, Stein und Netz.

Begründungen für ein Sondererbrecht nicht mehr tragfähig

Das landwirtschaftliche Sondererbrecht mit Singularsukzession und Privilegierung des Hoferben bei der Miterbenabfindung werde vor allem mit zwei Argumenten gerechtfertigt:

  • dem privaten Interesse am Erhalt des Hofes in der Hand der bäuerlichen Familie
  • und dem öffentlichen, agrarstrukturellen Interesse, an der Vermeidung einer Bodenzersplitterung

Beide Regelungsanliegen hätten an legitimierender Kraft verloren.

  • Das geschilderte Privatinteresse sei angesichts des sozialen Bedeutungsverlusts des Hofes für die Familie und der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung der Landwirte zu vernachlässigen
  • das agrarstrukturelle Interesse sei einerseits kontraproduktiv, weil Klein- und Nebenerwerbsbetriebe künstlich am Leben gehalten würden und die Entstehung eines funktionierenden landwirtschaftlichen Bodenmarkts dadurch dauerhaft erschwert würde. Da nur noch große Höfe lebensfähig seien, sei im Gegenteil eine breite Eigentumsstreuung bei hoher Bodenmobilität wünschenswert.
Mögliche Reformen

Eigentlich ist schon alles da. Ohne Landeserbenrechte würde überall in Deutschland das Hofzuweisungsverfahren nach §§ 13 ff. GrdstVG gelten. Die in §§ 13 ff. GrdstVG getroffenen Regelungen zum richterlichen Hofzuweisungsverfahren entsprechen dem erbrechtlichen Grundprinzip der Universalsukzession, sind angemessen, einzelfallgerecht und wären bei Wegfall der Landesanerbenrechte und der HöfeO zugleich ein Beitrag zur Rechtseinheit, Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit.

Abfindung weichender Erben

Röthel äußert auch Zweifel an der Zeitgemäßheit der aktuellen Abfindungs- und Bewertungsprivilegierungen des Hoferben. Diese Privilegierung sei sowohl im Hinblick auf die weichenden Erben als auch im Hinblick auf gewerbliche Unternehmensnachfolger verfassungsrechtlich bedenklich. Bei den weichenden Erben werde gegen das Prinzip der materiellen Erbrechtsgleichheit durchbrochen. Da die Unterschiede zwischen landwirtschaftlichen und gewerblichen Unternehmen immer mehr verblassten, schlägt Röthel unter Hinweis auf die Praxis der gewerblichen Unternehmensbewertung , vor, auch landwirtschaftliche Unternehmen nach dem realen Ertragswert zu bewerten,.

Das gesamte Gutachten von Frau Prof. Dr. Röthel ist beim C.H.Beck Verlag, München, erhältlich: 68. Deutscher Juristentag. Anne Röthel, Gutachten A zum 68. Deutschen Juristentag, Ist unser Erbrecht noch zeitgemäß?, Verlag C.H. Beck, München 2010

RUBY. Die Kanzlei für Erbrecht. Tel.: 07721 9930505


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